MIT GLOCKENGELÄUT UND KANONENDONNER
Der Empfang in Stuttgart am 13. April war dem gut aussehenden jungen Kronprinzenpaar angemessen: Glockengeläut und Kanonendonner sorgte für die eindrucksvolle Geräuschkulisse, die Stuttgarter Bevölkerung stand bereit, um die neue Kronprinzessin zu begrüßen, und im Neuen Schloss wartete die königliche Familie, allen der Vater des Kronprinzen, König Friedrich I. von Württemberg, und seine zweite Frau Königin Charlotte Mathilde. Verheiratet waren Katharina Pawlowna und Friedrich Wilhelm Carl schon seit Januar: Die Hochzeit zwischen der Zarentochter und dem württembergischen Kronprinzen hatte in St. Petersburg stattgefunden, mit Galadiners, Bällen und Opernaufführungen.
UNÜBLICH: LIEBE IM HOCHADEL
Kennengelernt hatten sich die beiden beim Wiener Kongress – und sich sogar verliebt: Die ambitionierte Katharina Pawlowna war dort, frisch verwitwet, aus politischen Gründen, aber auch auf der Suche nach einem geeigneten Mann. Für beide war es die zweite Ehe. Katharina war bereits mit Prinz Georg von Oldenburg verheiratet gewesen und hatte mit ihm zwei Söhne, die sie beide mit nach Stuttgart brachte. Auch Wilhelm I. hatte bereits eine längere Beziehung hinter sich – die Heirat mit der bürgerlichen Frau hatte allerdings der Druck des Hofes verhindert – und eine unglückliche Ehe mit Charlotte Auguste von Bayern. Diese politische Heirat konnte kurz vor der Hochzeit in St. Petersburg, annulliert werden. Die Zarentochter Katharina und der württembergische Kronprinz waren relativ eng verwandt: Die Mutter der Katharina stammte aus dem württembergischen Herrscherhaus.
WÜRTTEMBERG IN BITTERER NOT
Was erlebte Katharina Pawlowna, als sie in Württemberg ankam? Die Zarentochter traf auf ein Land, dessen Bevölkerung an akuter Not litt. 1816 ist als das „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichtsbücher eingegangen: Ein Vulkanausbruch auf Java im Vorjahr hatte durch seinen Ascheausstoß bewirkt, dass sich weltweit das Wetter veränderte. Ganze Ernten fielen aus – auch in Württemberg. Als der alte König Friedrich im Herbst 1816 starb, gehörte es zu den ersten Aufgaben des neuen Königspaares, die Not zu lindern. Zur Bekämpfung des Hungers im Winter 1816 /1817 wurde ein Verbot für die Ausfuhr von Nahrungsmitteln erlassen. Katharinas Verbindungen machten Getreidelieferungen aus Russland nach Württemberg möglich. Außerdem betrieb sie die Einrichtung von Suppenküchen. Das tatkräftige Engagement der jungen Königin für das Wohl der Württemberger legte schnell die Grundlagen für ihre Verehrung in der Bevölkerung.
STAMMBURG MUSS DEM MAUSOLEUM WEICHEN
Umso größer war die Erschütterung, als Königin Katharina kaum drei Jahre nach ihrer Ankunft im Land völlig unerwartet starb. Aus heutiger Sicht ist es kaum zu glauben, wie viele bis in die Gegenwart fortwirkende soziale Institutionen in dieser kurzen Zeit von ihr initiert oder begleitet wurden. 1820, im Frühjahr nach ihrem Tod, ließ der trauernde Witwer für ihr Mausoleum die Stammburg der Familie auf dem Württemberg planieren und den Berg über dem Neckartal neu anlegen. Hofbaumeister Giovanni Salucci schuf die Grabkapelle, die mit der perfekten Rundung ihrer Kuppel weithin sichtbar ist – eine Landmarke des neuen Württemberg. Heute ist das klassizistische Bauwerk mit seiner grandiosen Aussicht ein beliebtes Ziel bei Ausflügen und Spaziergängen. Und sie gilt vielen als der „romantischste Ort Stuttgarts“ – wegen der tragischen Liebesgeschichte, aber auch, weil über dem Portal der Kapelle in goldenen Lettern steht: „Die Liebe höret nimmer auf“.
WEGEN DER EPIDEMIE GESCHLOSSEN
Aktuell ist die Grabkapelle auf dem Württemberg wie alle Kultureinrichtungen und alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg wegen der Corona-Epidemie geschlossen. 2020 erinnern die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg an das 200. Jubiläum der Grundsteinlegung.