Donnerstag, 30. April 2020

Grabkapelle auf dem Württemberg | Allgemeines „Wir haben viel gelernt“: Ein Jahr Blindenmodell auf der Grabkapelle

Im Mai 2019 konnten die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg ein Modell einweihen, das es auch blinden Menschen ermöglicht, die Architektur der Grabkapelle und ihre Umgebung zu begreifen. Seit einem Jahr nutzen nun die Gäste auf dem Württemberg das ästhetische Bronzerelief, um die Strukturen des außergewöhnlichen Bauwerks mit den Händen zu begreifen – Blinde, ebenso aber Sehende. Und das Team der Staatlichen Schlösser und Gärten hat dabei viel gelernt aus den Begegnungen und Gesprächen mit den Besucherinnen und Besuchern.

AUCH FÜR SEHENDE EIN GEWINN
Das Blindenmodell, aufgestellt in der Nähe des Priesterhauses auf dem Württemberg, wird sehr gut angenommen – und nicht nur von den blinden Gästen an der Grabkapelle. Das Team der Staatlichen Schlösser und Gärten beobachtet genauso oft sehende Gäste, die mit geschlossenen Augen davorstehen, sich in die Blinden-Perspektive einfühlen und das Modell ertasten. Und das gilt für Kinder ebenso wie für Erwachsene: denn das Begreifen der Strukturen mit den Händen hilft auch den Sehenden. Tatsächlich kommen aber auch mehr Blinde und Gruppen von Sehbehinderten seit der Aufstellung vor einem Jahr. Mittelfristig soll nach und nach das Angebot für diese Besuchergruppen erweitert werden.

 

INKLUSION ALS ZENTRALE AUFGABE
Ermöglicht wurde das Blindenmodell durch eine Spende der Margarete Müller-Bull Stiftung. Für die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg ist es eine zentrale Aufgabe, die historischen Monumente des Landes für Menschen mit Behinderungen zu erschließen und zum Erlebnis zu machen. Geschaffen hat das Blindenmodell der Bildhauer Egbert Broerken, der viele solcher Tastmodelle entwickelt hat. Das quadratische Relief aus Bronze mit einer Seitenlänge von einem Meter ermöglicht es, die Grabkapelle in ihrer Form zu ertasten und ebenso die Struktur der Gesamtanlage mit Nebengebäuden zu erfassen. Der Ort des Blindenmodells könnte kaum passender sein: Königin Katharina von Württemberg ist heute noch berühmt für ihr soziales Engagement. Nach ihrem frühen Tod ließ König Wilhelm I. das Mausoleum auf dem Württemberg für sie errichten.

 

DIE GRABKAPELLE HAPTISCH UND AKUSTISCH ERLEBEN
„Wir haben von den blinden Besuchern im letzten Jahr viel gelernt“, erklärt Christiane Grau, die Kapellenverwalterin. „Wir wissen jetzt zum Beispiel, dass auch die Eingangstüre und vor allem das gusseiserne Gitter in der Mitte der Kapelle sich wunderbar zum Ertasten eignen.“ Für Blinde und Sehbehinderte erschließt sich so über die Berührung ein Eindruck und die besondere Ästhetik der Grabkapelle: Die mächtigen Türflügel mit ihren Kassetten lassen spüren, welche Würde das Gebäude ausstrahlt. Und die Rosette aus Eisenkunstguss, hergestellt in den königlichen Hüttenwerken in Wasseralfingen, zeigt sich unter den Händen  als Meisterwerk der Metallplastik. „Und das Echo in der Grabkapelle – das ist natürlich ein Höhepunkt, für Sehende so gut wie für Blinde“, sagt Christiane Grau.

 

ZIEL FÜR SPAZIERGÄNGER
Die Lage in den Weinbergen und die legendäre Aussicht über das Neckartal machen die Grabkapelle zum Ziel für viele Menschen – zu allen Jahreszeiten . Das Bauwerk verdankt seine Entstehung dem frühen Tod von Königin Katharina von Württemberg im Jahr 1819. Der trauernde Witwer König Wilhelm I. ließ hier ab dem Jahr 1820 den weithin sichtbaren klassizsistischen Kuppelbau errichten. Die Inschrift am Portal „Die Liebe höret nimmer auf“ verdankt das Mausoleum den Ruf als „romantischster Ort Stuttgarts“. 2020 feiern die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg das 200. Jubiläum der Grundsteinlegung.

 

Service

Aktuell sind die Grabkapelle und der Württemberg wie alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg wegen der Corona-Epidemie nicht zugänglich.

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